Schon lange bevor sie gemeinsam mit Freunden 2013 das Festival ins Leben rief, hatte sich Anna Haifisch einen Namen als Autorin gemacht, von der man noch hören würde: Ob die Geschichten um den Vogel Gilbert, ihre in vielen Episoden festgehaltenen Abenteuer der „Buddies“ oder in den vielen Siebdruckmotiven: Ihre Arbeiten rockten – und machen das bis heute. Was auf den ersten Blick dabei punkig und räudig und verspielt wirkt, zeigt sich bei näherer Lektüre sehr bedacht, hintersinnig und sehr, sehr witzig. Viele von Anna Haifischs Figuren offenbaren dabei eine zunächst unvermutete Verletzlichkeit.
Im letzten Jahre erschienen gleich zwei Bücher aus ihrer Feder: Eine erste Sammlung der auf vice.com vorveröffentlichten Kurzcomics „The Artist“ und das Entzugskliniks-Drama „Von Spatz“. Derzeit erscheinen Comics von ihr regelmäßig im Leipziger Stadtmagazin Kreuzer („Gilbert“) und auf vice.com (eine neue Staffel von „The Artist"). Die derzeitige Trägerin des e.o.plauen-Förderpreises lebt und arbeitet in Leipzig.
Im Gespräch gibt Anna Haifisch einen Einblick in ihre Arbeitsweise, zeigt Inspirationen und ihre Werkzeuge.
Führst Du ein Skizzenbuch? Deine Comics legen weniger den Gedanken nah, dass Du besonders Alltagssituationen festhältst, Beobachtungen. Liege ich da ganz falsch?
Ein Skizzenbuch führe ich, aber eher zum aufschreiben. Manchmal zeichne ich ein Tier, das mir gerade hübsch vorkommt – eine Amsel oder eine Katze. Aber man wird mich nicht unbedingt zeichnend in einem Cafe auffinden.
Ich habe die Notizfunktion im iPhone sehr liebgewonnen. Darin schreibe ich viel herum und ordne irgendwann die Gedanken damit.
Ganz wichtig auch die Kamera. Vorhin habe ich ein Foto vom Screen eines Laptops gemacht, weil es schnell gehen musste. Es zeigt Colin de Land am Grab seiner Frau Pat. Das hat mir das Herz gebrochen und irgendwie passt der Satz auf dem Grab zum Artist.
Inwiefern ziehst Du Inspiration aus amerikanischen Städten und Landschaften? Die prägen, wie mir scheint, Dein Werk mehr als Deine direkte Umgebung in Leipzig.
Die Amerikanische Architektur ist meinen Figuren vertrauter. Das kahle und funktionale ist der Gegensatz zur inneren Welt der Protagonisten.
Manchmal male ich kleine Aquarelle weil ich Landschaftsmalerei in letzter Zeit sehr mag. Und wenn ich jetzt gerade an die Aquarelle denke, die in Leipzig liegen, dann ähneln die sehr meiner Heimat. Obwohl ich die Landschaft Mitteldeutschlands hasse – da kommen mir echt die Tränen – so deprimierend.
Wie entsteht im Normalfall eine Deiner Comicseiten? Mit einem Skript, einem direkten Storyboard?
Manchmal finde ich Bilder, die mich wirklich erwischen. So wie vor ein paar Tagen Woodstock, wie er da im Regen tanzt und dann weint. Da weiss ich dann: da will ich hin mit der Geschichte. Der Gemütszustand, der Wahnsinn!
Im Fall von „The Artist“ schreibe ich viel und drehe Wörter und Sätze so lange herum, bis es irgendwann genau das ist, was ich sagen wollte. Dann teile ich die Worte grob auf Panels auf, zeichne mit Bleistift vor und male dann mit Tusche weiter.
Gibt es etwas bei der Zeichen-Arbeit, wovor Dir graut, zum Beispiel die Bearbeitung am Computer?
Nein. Eigentlich nicht. Kolorieren mach ich eigentlich ganz gerne.
Lettern in anderen Sprachen finde ich etwas langweilig, ausserdem verschreibe ich mich da dauernd.
Deine Zeichnungen wirken sehr locker aufs Papier geworfen. Dauert es lang, bis Du beim fertigen Bild oder der fertigen Seite ankommst? Gibt es viel Feintuning?
Manchmal dauert es sehr lange bis ich die Schnabelhaltung beim Artist genauso hingekriegt habe, wie es sein soll. Da geht es um 0,1 mm. Aber es würde die Welt bedeuten, wenn er seinen Schnabel anders halten würde. Ähnlich ist es mit den Augen oder mit seinem Haar. Da liegt eigentlich alles drin, was der Artist fühlt und das ernst zunehmen ist enorm wichtig.
Mit welchen Materialien zeichnest Du am liebsten, hast Du da bestimmtes Papier und Stifte?
Federn! Ich wünschte ich könnte mit einer echten Gänsefeder zeichnen.
Lana Dessin Papier: Es ist wirklich nicht schön, aber die Struktur unterstützt meinen zittrigen Strich.
Rohrer & Klinger Tusche! Fuck yeah, Rohrer & Klinger!! Ooooh, die beste Tusche.
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