Skizzenbuch (14): Ralf König

Die derzeit laufende Serie von Outtake-Veröffentlichungen auf dem Blog von Monty Arnold legte es jetzt natürlich nahe, Ralf König um einen Blick in sein Skizzenbuch zu bitten. Wie dort nachzulesen ist, zählen für ihn die Originalzeichnungen weniger als die Geschichte, die am Ende entsteht, und die Blätter werden nicht fein säuberlich im Archivschrank, sondern in einfachen Umzugskartons aufbewahrt. Wie kommt er nun dorthin – zeichnet er noch großartig vor oder wirft er seine Zeichnungen mit einer Spontaneität aufs Papier, wie man es bei einem versierten Zeichner, der seit rund 35 Jahren Comicgeschichten erzählt, vermuten könnte?
Wie immer gibt es in der Flickr-Galerie am Artikelende noch weitere Skizzen zu sehen.

Wie und wann skizzierst Du? Ist das immer projektbezogen oder zeichnest Du auch noch manchmal einfach drauflos?
Meistens ist es projektbezogen. Ich hab irgendwelche unausgegorenen Ideen zu einem neuen Comic im Hirn und rette sie vorm Vergessen, indem ich sie schnell hinkritzel. Da ist dann auch oft fahrig hingerotzter Text dabei, den ich später kaum entziffern kann.  Oder ich mache mir schriftliche Notizen wie 'Fisch in Zeitungspapier', weiss aber Wochen später nicht mehr, was ich damit gemeint habe. Manchmal hilft ein Zigarettchen mit Grünzeug um den Kopf zu lüften, dann kritzel ich drauflos und mache quasi Brainstorming. Aber von diesen bekifften Geistesblitzen kann ich einen Tag später und bei nüchterner Betrachtung nur wenige gebrauchen, aber immerhin ein paar. Man meint ja gern, dass die spontane Idee super ist, aber am nächsten Tag denkt man 'Hä?'.

Was war die letzte zeichnerische Herausforderung, die Dir Kopfzerbrechen bereitet hat? Waren es die Sexszenen in "Pornstory"?
Nein, ich denke, ich bin nicht dafür bekannt, dass ich mich vor Sexszenen scheue. Aber bei "Pornstory" wollte ich, dass der Porno so etwas wie eine Parallelwelt darstellt, der mit dem üblichen Alltag der Protagonisten nichts zu tun hat. Der sonst so nette Eberhard konsumiert heimlich frauenverachtende Pornos und seine Frau kommt dahinter, und die Irritation darüber war mein Buchthema. Darum dachte ich, es sei eine gute Idee, die Pornofilmsequenzen mit Original-Dialogen diesmal von Nicolas Mahler zeichnen zu lassen, dessen unverschämten Minimalismus finde ich hochkomisch! Natürlich hätte ich es selbst zeichnen können, aber ich wollte den Stilbruch. Zeichnerische Herausforderungen sind bei mir eher profan. Meistens Hintergründe, Möbel, Perspektiven und so. Ich hasse Hintergründe! Das hält am meisten auf und keiner guckt hin.

Von der Idee zur Comicseite. Zeichnest Du noch vor oder direkt mit dem Fineliner oder Tusche?
Ich zeichne das jeweils erste Panel einer Szene sorgfältig vor, aber diese Zeichnung lege ich fürs Folgende gleich auf die Leuchtplatte und pause quasi ab. Ich verändere nur die Gesichtsausdrücke und mal ne Geste, wenn einer zur Kaffeetasse greift oder so. Bei mir kommt es ja weniger auf die Zeichnungen an, die müssen zwar sitzen, von der Mimik der Charaktere her und so, aber eigentlich geht es mir um den Dialog. Wobei ich das mit der Leuchtplatte auch kritisch sehe, der Strich verliert an Spontanität, weil ich dasselbe Panel immer nur nachzeichne und damit zeichnerisch unbeweglich werde. Jeder Zeichner kennt das: Die Skizzen sind immer so viel lebendiger als die Reinzeichnung, klar, im Skizzenbuch hab ich keine Panels, die mich einengen und vor allem keinen Anspruch! Darum verehre ich auch die Minimalisten sehr, Reiser, Walter Moers mit seinen "Kleines Arschloch"-Comics damals und nun Mahler. Ich mach mir immer viel zu viel Arbeit, damit es später locker hingeschmissen aussieht. Meine Zeichnungen aus den 80ern und 90er sind noch so frei hingerotzt, aber in der Evolution geht es nun mal nicht zurück.    
 
Wie man dem Blog von Monty Arnold entnehmen kann, macht es Dir keine Probleme, auch fertige Comicseiten zu entsorgen. Hängst Du nicht an Deiner künstlerischen Arbeit oder ist das für Dich nur Ausschußware?
Nachdem ich mit Ausstellungen in einigen Museen hing, schätze ich die Blätter heute schon mehr als früher. So gerahmt an der Wand sieht das ja richtig gut aus. Aber ich hab da keine Ordnung, das Zeug knickt und gilbt hier in Umzugskartons und wenn ich was Bestimmtes suche, muss ich wieder alles durchwühlen. Fertig gezeichnete Comicseiten für letztlich nicht fertiggestellte Bücher hebe ich auf, weil da natürlich viele brauchbare Ideen schlummern. Oft liegen diese Anfänge jahrelang in den Kisten und dann starte ich neu. Dazu muss ich meistens auch alles neu zeichnen, weil mein Strich sich mit der Zeit verändert und ich nicht mehr zufrieden bin. Das war aber immer so, schon damals bei "Lysistrata", da hatte ich zwei oder drei Anläufe gestartet, bevor ich's dann 1987 für Rowohlt endlich durchgezogen habe. Bei diesen langen Storys geht mir zwischenzeitlich schon mal die Puste aus. Man muss ja auch über acht bis zehn Monate an das Buch auf dem Tisch glauben, aber wenn man die fertigen Seiten immer und immer wieder prüfend durchliest, weiss man irgendwann nicht mehr, ob es gut ist oder nicht.

Welche Stifte benutzt Du zum Skizzieren und Zeichnen? Hast Du bevorzugtes Papier?
Ich benutze die Edding Profipen 1800-Fineliner, am liebsten in halbleerem Zustand und billiges Kopierpapier. Ich zeichne ja 1:1, und bei der Panelgröße kann ich mit einer etwas abgenutzten Stiftspitze die Strichstärke variieren, ähnlich wie bei der Feder. Ich würde gern mit Feder zeichnen, so mit in die Flüssigtusche tunken, find ich sehr stilvoll. Aber das krieg ich nicht hin, das war immer eine Sauerei. Das ideale Werkzeug hab ich immer noch nicht gefunden. Besonders das Lettering macht immer Mühe, da sind Stifte, die sich abnutzen, eher ein Nachteil. Die Buchstaben werden dann schon mal zu fett, und das hat ja im Comic sofort mit Lautstärke zu tun. Die Schrift ist eigentlich das mühsamste, ich überklebe die Sprechblasen immer und immer wieder, bis das einigermassen sitzt. Papierkörbe voller Sprechblasen! Ich hab von Haus aus eher eine Sauklaue, wie meine ersten Comics mit dieser winzigen krackeligen Schrift damals so erfolgreich sein konnten, verstehe ich nicht wirklich. Ich kann meine Frühwerke heute selbst kaum entziffern! 

Ralf König im Netz: ralf-koenig.de • •

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Abbildungen © Ralf König

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