Es war gestern ein Einfall, der mir kurz vor Beendigung des Artikels kam: Künstlertische auf Conventions und Festivals haben durchaus etwas mit aktuellen Auswüchsen digitaler Ökonomie gemeinsam. Ein Gedanke, der mich nicht losgelassen hat und auch wenn man die Parallele nur ein gewisses Stück weit ziehen kann, lohnt der Blick dennoch.
Die Freiheit und Flexibilität, die solche sharing-economy oder on-demand-Angeboten wie das viel zitierte Uber oberflächlich bringen mögen, gehen zu Lasten von Sicherheiten wie festem Einkommen oder regulären Arbeitszeiten. Das unternehmerische Risiko wird auf die teilnehmenden Individuen abgeladen, das Unternehmen selbst stellt nur die IT-Struktur zur Verfügung, die zur Organisation nötig ist, und kassiert einen Teil der anfallenden Gewinne ein. Sogar das Arbeitsmaterial wird nicht von dem, was früher der Arbeitgeber war, sondern von der ausführenden Servicekraft bereitgestellt. Verkauft wird das als flauschige Verlängerung des digitalen Miteinanders in die Arbeitswelt hinein: Via Smartphone findet ein Großteil des sozialen Lebens statt, warum soll es so schlecht sein, die Arbeit darüber zu organisieren?
Wenn nun Comic-AutorInnen selbst in großer Zahl auf den Messen ihre Zeichenkunst anbieten, heisst das nicht, dass Verlage hier ihre Risiken auslagern, denn diese finden ja nicht statt. Faktisch gibt es nicht genug Verlage, um all die ambitionierten MacherInnen und ihre Werke unterzubringen. (Ausklammern muss man hier diejenigen, die sich auf Fan-Art konzentrieren oder einfach noch nicht die Qualität bringen, die es für eine Verlagsveröffentlichung braucht.) Allenfalls nutzt es dem abstrakten Gesamtkonstrukt Comic, wenn viele fleißige Arbeitsbienen darum bemüht sind, sich und ihrer Arbeit größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Sie machen das, indem sie unter anderem klassische Verlagsaufgaben übernehmen: Um Druck und Vertrieb kümmert man sich nun selbst, dazu gehört auch das Anpreisen der eigenen Ware und darüber hinaus die Inszenierung als öffentliche Person, von der man gerne etwas kauft. Anleitungen zum erfolgreichen Tabling lesen sich wie aus Marketing-Handbüchern abgeschrieben inklusive Tipps, wie die eigenen Werke bestens an potentielle Kunden gepitcht werden können.
Nach einigen Jahren bei einem Verlag mit Erfahrung auf Messen und Festivals kann ich nur sagen, dass das Verkaufen von Büchern nicht nur harte Arbeit ist: Es sollte auch nicht Aufgabe der KünstlerInnen sein, sich darum zu kümmern. Die sollen gute Comics machen. Selbstverkäufer ohne Verlagsanbindung hat es auf Comic-Veranstaltungen zwar schon immer gegeben, die professionalisierte Herangehensweise, wie sie der Erfolg von Artists Alley´s auf Messen und Cons nahelegen, ist hingegen relativ neu (Hier gibt es wieder einen Vorsprung der Manga-Community.). Dass diese nun immer sichtbarerer werden und sich KünstlerInnen ein finanzielles Standbein schaffen können, ist zunächst positiv. Mehr Comics ist erst einmal gut als weniger und mehr Geld in den Taschen der Kreativen ebenso. Die Idee, dass Individuen sämtliches unternehmerisches Risiko selbst schultern und dass auch noch mit Freude – weil man sonst ja keine Bücher verkauft – ist aber eine neoliberale Traumvorstellung, die dann doch Unbehagen hinterlässt. Letztlich machen KünstlerInnen, was sie nicht machen sollten, und sind sie erfolgreich, geraten sie in Konkurrenzsituation zu ihren Künstlerkollegen, die in diesem Sinne Mitbewerber um Aufmerksamkeit und Geld der Kundschaft sind. Und das etabliert sich nicht als Hilfskonstrukt, da das Umfeld es nicht anders erlaubt, sondern als Normalfall. Schwierig. Von dem Unbehagen ändert sich diese Sachlage natürlich nicht, es wird daher darum gehen müssen, einen Umgang mit den Widersprüchen zu finden, natürliche Entwicklung und Fortschritt von Exzess zu unterscheiden, denn keine Künstlertische oder Artist Alleys wären die noch falschere Alternative.
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Foto © Daniel Dornhöfer, Comic Con Germany